Mercedes GLE 500 e 4Matic vs. Volvo XC90 T8 AWD
Underdog hat die Nase vorn

Sie sind schnell, faszinierend stark, ziemlich teuer und doch so vernünftig: Wir vergleichen die mächtigen Plug-in-Hybrid-SUV von Mercedes und Volvo. Mal sehen, wer am Ende der Mächtigere ist.

Mercedes GLE 500e, Volvo XC90 T8, Frontansicht
Foto: Achim Hartmann

Bitter. Ja, es ist wirklich bitter, wenn man im derzeit teuersten Volvo, dem schon optisch beeindruckenden XC90 T8, das erste Mal den Benziner hört und begreift, dass Prunk und Downsizing längst nicht so prächtig zusammenpassen, wie das Twin-Engine-AWD-Emblem auf dem blauen Heck zu suggerieren scheint. Fast möchte man rufen: Was soll das? Da zahlt man über 80.000 Euro und erhält einen Motor, der keinerlei Emotion weckt und manchmal fast so plärrt wie ein Prius. Aber so klingt eben ein zwei Liter kleiner Vierzylinder, der es via Kompressor und Turbo auf stattliche 320 Pferde und 400 Nm bringt, während ein 65 kW starker Elektromotor im Heck unhörbar die Hinterräder antreibt.

Das wiederum ist zunächst clever, weil eine Antriebswelle nach hinten entfällt und die Lithium-Ionen-Akkus (Kapazität 9,2 kWh) nun im Mitteltunnel Platz finden. Hybridtypisch arbeiten die beiden Aggregate je nach Einstellung im besonders potenten Verbund, im ständigen, leider oft unharmonischen, ruckeligen Wechsel oder einzeln. Wenn man so will, ist der XC90 damit einer der ersten hinterradgetriebenen Elektro-SUV, mit dem man auch mal über einen verschneiten Parkplatz driften könnte. Allerdings nur, falls noch Energie vorhanden ist, denn auf unserer gemütlich gefahrenen Elektrorunde mit einigen Steigungen war bereits nach 21 Kilometern Schluss (Werksangabe: 43 km).

Volvo XC90 T8, Motor
Achim Hartmann
Im Volvo arbeitet ein zwei Liter kleiner Vierzylinder, der es via Kompressor und Turbo auf stattliche 320 Pferde bringt.

Mercedes GLE 500 ist entspannter

Der über 120 Kilo schwerere GLE 500 e 4Matic, der seine Kräfte beständig zu gleichen Teilen auf die Achsen verteilt, kommt zwar auf dieser Runde nur 17 Kilometer weit, bietet aber den insgesamt überzeugenderen Antrieb. Schließlich sitzt unter seiner kurzen Fronthaube ein Dreiliter-V6 mit 333 PS, der schon bei 1.600 Touren ganz locker 480 Nm abgibt. Unterstützt wird der Biturbo, der selbst bei hohen Drehzahlen noch angenehm klingt, von einer E-Maschine mit 85 kW, die im Gehäuse der Siebengangautomatik untergebracht ist. Da sich die Wechsel zwischen den Antriebsformen ruckfrei vollziehen, lässt es sich im Mercedes viel entspannter cruisen.

Außerdem geht der 2,5-Tonner in allen Disziplinen noch etwas besser (siehe Messwerte). Insbesondere ab Tempo 160 km/h stampft der hochwertig verarbeitete SUV gelassen von dannen, während der Vierzylinder im Volvo hörbar angestrengt seine Kraft mobilisiert. Einer der Gründe dafür ist, dass sich sein E-Motor bei 170 km/h ausklinkt.

Volvo XC90 ist sparsamer

Immerhin erweist sich sein aufwendiges Antriebskonzept als etwas sparsamer, wenn auch fernab der NEFZ-Fabelwerte. Hochgerechnet mit den Messungen aus den Eco-Verbrauchsrunden auf eine Jahresfahrleistung von 15.000 Kilometern liegt der XC90 bei 5,1 Litern plus 14,4 kWh/100 km. Der GLE gibt sich mit 6,4 Litern plus 14,3 kWh/100 km etwas durstiger. Entsprechend fallen auch die realen Well-to-Wheel-CO2-Emissionen (200 zu 229 g/km) aus – bei gemütlicher Fahrweise wohlgemerkt. Denn wer die beiden bärigen SUV scheucht, liegt schnell bei über zwölf Litern.

Umso putziger wirkt das Volvo-Tankvolumen von 50 Litern, mit dem man kaum mehr als 600 Kilometer schaffen dürfte. Zum Vergleich: Ein D5 mit 225 PS schluckt 7,1 Liter Diesel. Offensichtlich fordert der E-Antrieb in der Hinterachse hier seinen Tribut. Der GLE kommt dank seines 80-Liter-Tanks 200 Kilometer weiter. Lobenswert: Vernetzt mit Navi und Radarsensor steuert der Hybridrechner je nach Streckenverlauf, vorausfahrendem Verkehr und vielen anderen Faktoren den optimalen Mix der beiden Antriebe. So rekuperiert er beispielsweise vorausschauend, spendet Strom bergan und füllt die Akkus wieder auf, sobald es sich längerfristig lohnt.

Mercedes GLE 500e, Motor
Achim Hartmann
Unter der kurzen Fronthaube des Mercedes verrichtet ein Dreiliter-V6 mit 333 PS seine Arbeit.

Mehr Laderaum im XC90

Allerdings fährt der Mercedes seine Akkus (Kapazität: 8,7 kWh) im Kofferraum spazieren, was spürbar Platz kostet. Mehr als 480 (sonst 690) Liter Gepäck passen in den Hybrid als Fünfsitzer nicht hinein. Zudem ergibt sich bei vorgeklappten Rücksitzen eine beachtliche Stufe im Ladeboden, weil der GLE noch auf dem früheren ML basiert, dessen Chassis nicht für eine Elektrifizierung ausgelegt war. Dagegen genießen die Passagiere selbst im Fond recht opulente Platzverhältnisse.

Der immerhin 13 Zentimeter längere XC90 bietet hier kaum mehr, hält jedoch trotz serienmäßiger dritter Sitzreihe im Heck 640 Liter Stauraum bereit. Sind die hinreichend bequemen Sitze aufgeklappt, bleiben noch 262 Liter über. Immer wieder sehenswert und typisch Volvo: die praktischen 2-in-1-Fächer im Unterboden sowie der integrierte Kindersitz im Fond. Ein weiteres Merkmal der Schweden sind aber auch eigenwillig reduzierte Bedienkonzepte, die derzeit im hochkantig eingesetzten 9,2-Zoll-Touchscreen gipfeln. Wohl kaum ein System wirkt so feinsinnig und durchdacht, erfordert aber zugleich enorme Konzentration beim vielen Drücken und Wischen.

Volvo XC90 in Unruhe

Dabei kann verstärkte Aufmerksamkeit angesichts der sportlichen Fahrwerksabstimmung gar nicht schaden. Besonders kurze Stöße versetzen den mit 20-Zöllern bereiften Volvo trotz Luftfederung (2.270 Euro) in Unruhe und rappeln schon mal bis in die leichtgängige Lenkung hinein. Die setzt Kurskorrekturen überraschend direkt um, könnte aber mehr Rückmeldung liefern. Ganz anders verhält sich der ebenfalls mit Airmatic ausstaffierte GLE. Geschmeidig und gelassen rollt der 2,5-Tonner über jegliche Fahrbahnen und passt damit perfekt zum mächtigen, leise murmelnden V6. Da die Lenkung zugleich präziser und stoßfrei arbeitet, reist man hier deutlich spurstabiler und vergnüglicher über Land als im schwerer einschätzbaren Volvo.

Volvo XC90 T8, Heckansicht
Achim Hartmann
Der Volvo weiß zu überzeugen - obwohl er manchmal plärrt wie ein Prius.

Schwache Bremsen im GLE

Da scheint der Sieg für den günstigeren Mercedes (ab 74.197 Euro) eine sichere Sache zu sein – wenn da nicht seine schlappen Bremsen wären: 38,2 Meter aus 100 und 64 Meter aus 130 km/h mit kalter Anlage sind für einen bis zu drei Tonnen schweren Hybrid wenig lobenswert. Selbst seine vorbildlich große Armada an Assistenzsystemen macht diese Scharte nicht wett. Schließlich lässt sich auch Volvo nicht lumpen und rüstet schon den Basis-XC90 mit ACC, aktivem Spurhalter, Stauassistent und Verkehrszeichenerkennung aus.

Dazu bringt die Ausstattungslinie R-Design (3.700 Euro) zusätzlich eine Lederausstattung, Vier-Zonen-Klimaautomatik, Standheizung, LED-Scheinwerfer und Panoramadach mit, was den Preis des GLE auf über 86.000 Euro treiben würde. So gewinnt am Ende der XC90, obwohl auch bei ihm die hohen Kosten, gerade in Anbetracht des Vierzylinder-Motors, wirklich bitter sind.

Fazit

1. Volvo XC90 T8 AWD
444 von 1000 Punkte

Geräumiger, etwas preisgünstiger und stark auf der Bremse – so setzt sich der sparsame Volvo knapp an die Spitze. Mit dem mäßigen Komfort muss man sich aber arrangieren.

2. Mercedes GLE 500e 4Matic
438 von 1000 Punkte

Der gebotene Fahrkomfort passt bestens zum charismatischen V6, der für gute Fahrleistungen sorgt. Zum Sieg fehlen ein großer Laderaum sowie stärkere Bremsen.

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AUTO MOTOR UND SPORT 10 / 2024
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Erscheinungsdatum 25.04.2024

148 Seiten